Wir fühlen uns gut gewappnet

Interview mit Dr. Manon Haccius – 13. März 2023
Mit rund 3.500 Mit­ar­bei­tenden ist die Bio­super­markt­kette Alnatura ab 2023 vom Lie­fer­ket­ten­sorg­falts­pflich­ten­gesetz (LkSG) betroffen. Dr. Manon Haccius, Pro­jekt­ver­ant­wort­liche für We Care bei Alnatura, erklärt, wie sich das Han­dels­un­ter­nehmen auf das Gesetz vor­be­reitet und welche Schritte für die Umsetzung der men­schen­recht­lichen Sorg­falts­pflicht bereits unter­nommen wurden.

Welche Risiken für Men­schen­rechts­ver­let­zungen gibt es in Ihren Lie­fer­ketten und wie haben Sie diese ermittelt?

Dr. Manon Haccius: Alnatura kauft relativ wenige Frische­pro­dukte selbst ein. Den über­wie­genden Teil der Roh­waren beschaffen unsere etwa 160 Her­stel­ler­partner aus ver­schie­densten Ländern, auch aus soge­nannten Risi­ko­ländern, und ver­ar­beiten diese für uns. Als wir vor etwa zehn Jahren anfingen, uns mit men­schen­recht­lichen Sorg­falts­pflichten aus­ein­an­der­zu­setzen, haben wir bestehende Sozi­al­stan­dards geprüft und darauf auf­bauend 2014 eine eigene, interne Policy mit zehn Punkten erar­beitet. Darin geht es vor allem darum, faire Arbeits­be­din­gungen und Löhne zu erreichen sowie ein mög­lichst dis­kri­mi­nie­rungs­freies Arbeits­umfeld zu schaffen. Circa drei Jahre hat es gedauert, diese Stan­dards mit unseren Her­stel­ler­partnern umzu­setzen. Das ver­langte von ihnen viel klein­teilige Arbeit. Denn wir haben fest­ge­stellt, dass einige Lie­fe­ranten nicht sicher wussten, aus wie vielen Ländern ihre Roh­waren eigentlich stammten.

Mit welchen Maß­nahmen ver­suchen Sie, die Risi­ko­wahr­schein­lichkeit in der Zukunft zu ver­ringern und wie gehen Sie vor, wenn bereits ein Schaden ein­ge­treten ist?

Dr. Manon Haccius: Die Anfor­de­rungen unserer Policy haben viel zur Bewusst­seins­bildung und Klarheit bei­getragen; viele Her­stel­ler­partner haben sich in der Folge auf zwei bis drei Lie­fe­ranten je Rohware kon­zen­triert, die sie gut kennen und mit denen sie lang­fristig arbeiten. Dennoch kann es in sel­tenen Fällen vor­kommen, dass sich ein Part­ner­un­ter­nehmen mit der Beschaffung von sozi­al­standard-zer­ti­fi­zierten Roh­waren schwertut. Wenn wir trotz Gesprächen nicht zusam­men­kommen, stellt sich für uns die Frage, ob wir diese Quelle in der Lie­fer­kette zwingend brauchen oder ob wir eine Alter­native auf­bauen können. In jedem Fall bedeutet die Umsetzung solcher Stan­dards für alle Betei­ligten einen Lern­prozess.

Wie sieht dieser Lern­prozess konkret aus? Nach welchen Kri­terien gehen Sie vor?

Dr. Manon Haccius: Wenn wir mit einem Her­stel­ler­partner neue Pro­dukte ent­wi­ckeln, für die Roh­waren aus neuen Quellen ein­ge­kauft werden sollen, sind wir sehr streng mit unseren Anfor­de­rungen. Wenn wir auf­grund einer erhöhten Nach­frage eines Pro­duktes die Beschaffung über einen zuver­läs­sigen Partner auf neue Quellen erweitern, kann diese Rohware direkt ein­ge­setzt werden. Die Zer­ti­fi­zierung wird dann begleitend umge­setzt. Auch hier ist die Ver­trau­ens­basis wichtig, gleich­zeitig bestehen wir auf einer eng­ma­schigen Bericht­erstattung. Und natürlich kann dann immer noch etwas Uner­war­tetes pas­sieren, sodass wir schnell handeln müssen.

Zum Bei­spiel?

Dr. Manon Haccius: Bio-Hasel­nüsse etwa kommen oft aus der Türkei. Nun wissen wir, dass sich derzeit in den dor­tigen Anbau­ge­bieten auf­grund der poli­ti­schen Situation in den Nach­bar­ländern viele Geflüchtete auf­halten. Wir wollen wissen, von wem die Hasel­nüsse geerntet werden. Dafür sind unsere Lie­fe­ranten die ersten Ansprech­partner. Sie bekommen von uns die ein­deutige Bot­schaft, dass sie sich kümmern und ihren Part­ner­be­trieben vor Ort klar­machen müssen, dass auch dort unsere Anfor­de­rungen gelten.

Wie stellen Sie sicher, dass die men­schen­recht­liche Sorg­falts­pflicht in Ihrem Unter­nehmen fest ver­ankert ist und sich die Mit­ar­bei­tenden in den rele­vanten Geschäfts­be­reichen ver­ant­wortlich fühlen?

Dr. Manon Haccius: Eine wesent­liche Vor­aus­setzung ist das klare Bekenntnis unserer Geschäfts­leitung zur men­schen­recht­lichen Sorg­falts­pflicht. Wir haben unsere Leit­linien und Ver­fah­rens­an­wei­sungen ver­schrift­licht. Das heißt, alle Mit­ar­bei­tenden können diese Infor­ma­tionen nach­lesen. Auch führen wir regel­mäßige Schu­lungen durch – einer­seits für neue Kol­le­ginnen und Kol­legen, ande­rer­seits durch jähr­liche Auf­fri­schungen für bestehende Mit­ar­bei­tende. Das Wissen wird im Rahmen interner Audits geprüft. So lässt sich gut fest­stellen, wo even­tuell noch Nach­hol­bedarf besteht. Außerdem unter­ziehen wir uns einem externen Audit gemäß dem We-Care-Standard. Das For­schungs­in­stitut für bio­lo­gi­schen Landbau (FiBL) ist Träger dieses neuen We-Care-Stan­dards und ent­wi­ckelt diesen immer weiter. Alnatura ist eines der ersten We-Care-zer­ti­fi­zierten Unter­nehmen. Die externen Prü­fe­rinnen und Prüfer kommen jedes Jahr zum Über­wa­chungs­audit und alle drei Jahre zur Rezer­ti­fi­zierung wieder. Sie kon­trol­lieren Doku­mente und – min­destens genauso wichtig – sie sprechen mit den Zustän­digen ver­schie­dener Abtei­lungen und Hier­ar­chie­stufen. Diese viel­fäl­tigen Instru­mente ermög­lichen uns eine gute Urteils­si­cherheit, dass sowohl die Alnatura-Mit­ar­bei­tenden als auch unsere Partner in der Lie­fer­kette die Vor­gaben wie vor­ge­sehen anwenden.

Was prüft der We-Care-Standard konkret?

Dr. Manon Haccius: Der Standard prüft umfassend die nach­haltige Arbeits­weise eines Unter­nehmens in vier zen­tralen Hand­lungs­feldern: Unter­neh­mens­führung, Lie­fer­ket­ten­ma­nagement, Umwelt­ma­nagement und Mit­ar­bei­ten­den­ver­ant­wortung. 164 Kri­terien werden abge­fragt. Dabei geht es um klas­sische Nach­hal­tig­keits­themen wie zum Bei­spiel gen­tech­nik­freie Sor­ti­mente, Bio­di­ver­sität und Tierwohl oder auch Redu­zierung der Treib­haus­gas­emis­sionen und Bezahlung min­destens nach Tarif- bezie­hungs­weise Min­destlohn. Im Hand­lungsfeld Lie­fer­ket­ten­ma­nagement kommt dem Einkauf eine Schlüs­sel­rolle zu. Hier prüft We Care zum Bei­spiel, dass aus­kömm­liche Preise für Roh­waren gezahlt werden. Für das We-Care-Siegel müssen Unter­nehmen unter anderem nach­weisen, dass sie ihre Partner zu Ver­hal­tens­weisen ver­pflichtet haben, die mit aner­kannten Sozi­al­stan­dards konform sind, und über­prüfen, ob auch tat­sächlich so gehandelt wird.

Wie infor­mieren Sie über die Umsetzung Ihrer Sorg­falts­pflichten und was macht eine gute Kom­mu­ni­kation für Sie aus?

Dr. Manon Haccius: Wir senden auf allen Kanälen – auf unserem Inter­net­auf­tritt, in unserem monatlich erschei­nenden Magazin, das in unseren Märkten ver­teilt wird, und natürlich spielt das Thema auch auf Social Media eine große Rolle. Außerdem berichten wir in unserem Nach­hal­tig­keits­be­richt über unser Enga­gement. Und schließlich gehen unsere Kol­le­ginnen und Kol­legen in den direkten Kun­den­dialog. Unser Anspruch ist es, mög­lichst umfassend und trans­parent zu kom­mu­ni­zieren. Nach den Anfor­de­rungen des neuen Lie­fer­ket­ten­ge­setzes werden wir in Zukunft auch dem Bun­desamt für Wirt­schaft und Aus­fuhr­kon­trolle jährlich berichten. Dafür sind wir durch unsere bis­herige Doku­men­tation gut gewappnet.

Das Interview führte Katharina Dippold im Auftrag des Bun­des­mi­nis­te­riums für Arbeit und Soziales (BMAS).