Unter­­nehmens- oder Pro­dukt­zer­ti­fi­zierung?
Interview Maren Walter und Alex­ander Drees – 12. Dezember 2022

Alex­ander Drees, Geschäfts­führer beim Bio-Honig­pionier Walter Lang GmbH, und Maren Walter, externe Nach­hal­tig­keits- und We Care-Bera­terin für Nach­hal­tigkeit, sprechen mit der Redaktion über den großen Nutzen des We-Care-Stan­dards und einen aus ihrer Sicht noch feh­lenden Aspekt.

Frau Walter, Sie haben die Ent­wicklung des We-Care-Stan­dards noch in Ihrer Zeit bei Lebensbaum von Anfang an begleitet. Fast zwei Jahre nach dem offi­zi­ellen Start: Welches Résumé treffen Sie aus Anwen­der­sicht?

Maren Walter: Dieser Standard war über­fällig, vor allem um Nach­hal­tigkeit in Unter­nehmen sys­te­ma­tisch vor­an­zu­bringen. Von dieser Mög­lichkeit können gerade jene Unter­nehmen pro­fi­tieren, die noch etwas unstruk­tu­riert arbeiten, bzw. jene, die Nach­hal­tigkeit als Grund­haltung im gesamten Unter­nehmen eta­blieren wollen. Darüber hinaus ist We Care auch ein sehr gutes Manage­ment­system, um sich auf das Lie­fer­ket­ten­gesetz vor­zu­be­reiten.

Also alles bestens nach zwei Jahren?

Alex­ander Drees: Wir kennen keinen anderen Standard, der wie We Care die ganze Wert­schöp­fungs­kette betrachtet, zusam­men­hän­gende Pro­zesse abbildet und dazu die Beweis­barkeit von Nach­hal­tig­keits­aus­sagen ermög­licht. Des­wegen arbeiten wir bei der Walter Lang GmbH mit We Care. Aller­dings ent­wi­ckelt sich der Markt weiter und damit auch die Anfor­de­rungen an ein solches Manage­ment­system.

Was meinen Sie damit?

Alex­ander Drees: Der Bio-Markt ver­ändert sich rasant. Zwei Ent­wick­lungen möchte ich her­vor­heben. Viele Bio-Unter­nehmen befinden sich nicht mehr in der Hand ihrer Gründer, sondern sind inzwi­schen Marken anderer Unter­nehmen, zum Teil sogar grö­ßerer, kon­ven­tio­neller Unter­nehmen. Und schon lange ist der LEH mit seinem Bio-Angebot sehr stark. Beide Erschei­nungen haben dazu geführt, dass immer mehr Private Label-Bio-Marken ange­boten werden. Auch für Pio­niere wie Walter Lang GmbH ist dieses Segment längst ein wich­tiger Umsatz­träger geworden. Wir stellen inzwi­schen mehr Private Label her als eigene Marken.

Das betonen Sie, weil…

Alex­ander Drees: We Care bislang nur eine Unternehmens‑, und erst darauf auf­bauend eine Pro­dukt­zer­ti­fi­zierung zulässt. Wir glauben, dass durch diese Fokus­sierung auf das gesamte Unter­nehmen zwar ein sehr hoher Anspruch bei den zer­ti­fi­zierten Unter­nehmen ermög­licht, gleich­zeitig aber die Rea­lität am Bio-Markt nur zum Teil abge­bildet wird. Könnten wir auch ein­zelne Pro­dukte We Care zer­ti­fi­zieren lassen, wenn wir als Her­steller die kom­plette Lie­fer­kette ver­ant­worten, und dies dann mit einem geson­derten We-Care-Logo auf dem Produkt kom­mu­ni­zieren, würde dieser Standard nicht nur für uns, sondern für den gesamten Markt die dringend benö­tigte höhere Bedeutung bekommen.

Dann könnten wir auch für große Unter­nehmen, die nicht nur Bio-Pro­dukte im Markt haben, We-Care-zer­ti­fi­zierte Pro­dukte her­stellen. Und für die Ver­braucher wird We Care viel flä­chen­de­ckender sichtbar. Momentan bremst der hohe Anspruch die Bekanntheit von We Care.

Stellt denn nicht genau dieser hohe Anspruch den Kern­nutzen für Unter­nehmen dar?

Maren Walter: Der voll­um­fäng­liche Ansatz ist das große Plus von We Care. Auch wir haben durch den Audi­tie­rungs­prozess einen sehr detail­lierten Spiegel vor­ge­halten bekommen. So wussten wir, wo wir gut sind, wo wir besser sind als gedacht und wo wir an etwas nicht gedacht haben. Eine kleines, aber nicht unbe­deu­tendes Bei­spiel: Wir haben jetzt an Maschinen Ein­zel­zähler zum Strom­ver­brauch instal­liert. Und wegen des hohen Anteils an Mit­ar­bei­te­rinnen und Mit­ar­beiter mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund über­setzen wir alle rele­vanten Doku­mente, Schu­lungen und Umfragen auch in Eng­lisch und Pol­nisch. Seitdem ist bei uns im Unter­nehmen das Bewusstsein für Nach­hal­tigkeit messbar gestiegen.

Solche tief­grei­fenden Ver­bes­se­rungen würden bei einer Pro­dukt­zer­ti­fi­zierung kaum erfolgen.

Maren Walter: Das her­stel­lende Unter­nehmen müsste ja nach wie vor alle Ansprüche von We Care erfüllen. Einzige Änderung wäre, dass der Inver­kehr­bringer nicht auch noch zer­ti­fi­ziert sein muss. Dafür ist meine Vision eben ein sepa­rates We-Care-Pro­dukt­siegel. Damit deutlich wird, das hier bezieht sich auf das Produkt und nicht den Mar­ken­in­haber. Dann müsste man die

Kom­mu­ni­kation nach außen so gestalten, damit die Wer­tigkeit der Unter­neh­mens­zer­ti­fi­zierung erhalten bleibt. Gleich­zeitig stellt We Care an sich selbst den Anspruch, sich ständig wei­ter­zu­ent­wi­ckeln. Die Pro­dukt­zer­ti­fi­zierung wäre eine solche Wei­ter­ent­wicklung. 

Nach zwei Jahren We Care: Sie würden den Standard auch anderen Unter­nehmen emp­fehlen?

Alex­ander Drees: Ja, unbe­dingt. Der Aufwand bis zur Zer­ti­fi­zierung ist zwar groß, dafür ist der Nutzen umso größer. Und in Zeiten des Fach­kräf­te­mangels kommt noch ein wich­tiger Punkt dazu: Durch We Care erar­beitet man sich auch Ant­worten auf die Frage, wie man ein guter Arbeit­geber wird. Wenn ein Unter­nehmen die Sinn­frage durch nach­haltige Struk­turen beant­worten kann und darüber hinaus eine attraktive Arbeits­ge­mein­schaft ermög­licht, dann sind das unschlagbare Argu­mente für Bewerber.

Das Gespräch führte Volker Laen­gen­felder.

Fir­men­gründer Walter Lang hat bereits 1974 mit der Abfüllung unver­mischter Honige begonnen, später auch an der Ent­wicklung der Richt­linien für die öko­lo­gische Bie­nen­haltung mit­ge­wirkt. Heute beschäftigt das nach ihm benannte Unter­nehmen an zwei Stand­orten über 100 Mit­ar­bei­tende. 80 Prozent der Pro­dukte stammen aus bio­lo­gi­schem Landbau.