Regulierungsflut durch Standards begegnen
Als 12tes Unternehmen hat die Minderleinsmühle im Februar 2024 das We-Care-Audit bestanden. Verena Kretschmer, Fachbereichsleiterin Qualität, berichtet, wie es zur Entscheidung für diesen Managementstandard kam, welche Rolle dabei die B2B-Partner spielen und wie das Unternehmen mit der zunehmenden Regulierung aus Brüssel umgeht.
Frau Kretschmer, die Minderleinsmühle verarbeitet Rohwaren aus aller Welt, unter das Lieferkettengesetz fällt Ihr Unternehmen bislang nicht. Weshalb engagieren Sie sich dennoch für Nachhaltigkeit in Ihrem Lieferkettenmanagement?
Verena Kretschmer:Das Familienunternehmen Minderleinsmühle existiert seit über 200 Jahren, und selbstverständlich pflegen wir auch heute langjährige Beziehungen zu unseren Lieferanten. Vertrauensvolle Lieferantenbeziehungen sind ein starkes Pfund, und damit geht man – wie in jeder guten Partnerschaft – respektvoll und wertschätzend um. Darüber hinaus gehört für uns als Bio-Unternehmen die Wertschätzung für Mensch und Natur seit je her zu unserem Selbstverständnis. Unsere Unternehmensvision lautet nicht von ungefähr: BIO – gut und vielfältig für Mensch und Natur. Und das schließt alle Menschen ein.
So ein ausgeprägtes, individuelles Werteverständnis reicht dem Markt schon lange nicht mehr aus, Standards und Zertifikate werden eingefordert. Wie gehen Sie damit um?/em>
Verena Kretschmer: Einen wesentlichen Teil unseres Umsatzes erzielen wir mit Private Label-Produkten. Viele unserer größeren Partner verlangen von uns Sozial- und Umweltstandards entlang der Lieferkette – und das nicht erst seit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Wir haben in den letzten Jahren Erfahrungen mit verschiedenen Standards gesammelt, u. a. mit BSCI und SMETA/SEDEX. Jedes dieser Programme hat seinen Nutzen, wirklich überzeugt haben sie uns jedoch nicht. Dann wurden wir durch Alnatura und AÖL auf den We-Care-Standard aufmerksam. Der ganzheitliche, umfassende Blick von We Care über die vier Handlungsfelder Unternehmensführung, Lieferkettenmanagement, Umweltmanagement und Mitarbeiterverantwortung geht deutlich über die singuläre Betrachtung vieler Standards hinaus. We Care ordnet die Prozesse so, wie wir es als sinnvoll erachten, insbesondere in der Lieferkette.
Sie sagen, dass We Care das gesamte Unternehmen betrachtet. Was bedeutete dies für die einzelnen Unternehmensbereiche?
Verena Kretschmer: Unsere Prozesse waren schon vorher gut dokumentiert, insofern hielt sich hier der Aufwand zur Adaption an We Care in Grenzen. Unser Einkauf war sicherlich derjenige Bereich mit den weitestgehenden Veränderungen, da alle Lieferanten neu befragt werden mussten. Das Thema Tierwohl zum Beispiel hatten wir bislang überhaupt nicht abgefragt. Aufgrund unserer Produktvielfalt – wir verarbeiten ca. 500 verschiedenen Rohwaren von unterschiedlichsten Lieferanten – war der Befragungsaufwand entsprechend groß.
Mussten Sie als Verantwortliche Überzeugungsarbeit leisten?
Verena Kretschmer: Wir haben einen erweiterten Führungskreis zwischen allen Fachbereichen. Darin pflegen wir eine sehr gut funktionierende Diskussions- und Beratungskultur, d. h. wir informieren, besprechen und beraten uns gegenseitig zu allen übergreifenden Themen. Die Sinnhaftigkeit von We Care war für alle im Team gut nachvollziehbar, so dass auch die Kolleginnen und Kollegen aus dem Einkauf vergleichsweise leicht in den We-Care-Prozess einsteigen konnten.
Mit dem LkSG, der CSRD und den Green Claims, um nur einige zu nennen, kommen immer mehr staatliche Anforderungen auf die Unternehmen zu. Entlastet Sie We Care im Umgang mit diesen zahlreichen Regulierungen?
Verena Kretschmer: Ich hoffe es. Weil wir in vielen Punkte schon viel weiter sind als die meisten konventionellen Unternehmen, ist es etwas frustrierend jetzt so umfangreiche, teilweise sehr bürokratische Anforderungen vorgesetzt zu bekommen. Stellvertretend nenne ich das Thema Faire Lieferketten. Ich befürchte, dass gerade wir kleineren Unternehmen vor lauter Bürokratie zu wenig in die Umsetzung kommen. Aber die Gesetze sind nun mal da oder werden absehbar kommen, deshalb versuchen wir durch einen sinnvollen Mix aus Standards und gelebten Verhaltensweisen unseren bürokratischen Aufwand gering zu halten. Auch wenn die Erfahrungen mit We Care noch zu kurz sind, gehe ich davon aus, dass uns We Care als Gewährleistungsmarke, die umweltbezogene Eigenschaften garantiert, helfen wird. Auch halte ich die Kombination We Care und EMAS für zielführend und effizient.
Wie gehen Sie mit Green Claims und der CSRD um?
Verena Kretschmer: Ich hoffe es. Wir haben bereits in der Vergangenheit eine transparente und faktenbasierte Kommunikation betrieben. So werden wir auch in Zukunft keine verallgemeinernden Aussagen treffen, die wir nicht belegen können. Die Bio-Zertifizierung und auch der Verweis auf die We-Care-Zertifizierung wird uns in einer Green Claims adäquaten Kommunikation unterstützen. Auch hier sehe ich ein Potential des We-Care-Standards.
Das Gespräch führte Volker Laengenfelder
Die Lebensmittelchemikerin Verena Kretschmer (46) leitet den Fachbereich Qualität bei der Minderleinsmühle. Das Familienunternehmen aus dem fränkischen Neunkirchen am Brand ist ein Getreidespezialist und stellt mit seinen insgesamt rund 480 Mitarbeitenden ein vielfältiges Bio-Sortiment her, u. a. Müslis und Cerealien, süße Gebäcke, Gewürze und Backzutaten.