Posi­tiver Hand­lungs­druck
Interview Martin Eras – 6. Juli 2022

Wie der Manage­ment­standard We Care ein tra­di­ti­ons­reiches Bio-Pio­nier­un­ter­nehmen wie Barn­house in puncto Nach­hal­tigkeit weiter nach vorne bringen kann und ob es dabei Grenzen gibt, erläutert Martin Eras, Geschäfts­führer von Barn­house, im Gespräch mit der Redaktion.

Herr Eras, Barn­house möchte über Bio hinaus handeln. Was genau meinen Sie damit?

Martin Eras: Wenn ein Produkt bio-zer­ti­fi­ziert ist, heißt das ja nicht zwangs­läufig, dass das Unter­nehmen in allen Belangen nach­haltig ist. Barn­house hat eine über 40jährige Bio-Tra­dition und schon viel im Bereich der Nach­hal­tigkeit erreicht. Themen wie Kli­ma­krise, Pan­demie, Lie­fer­ket­ten­gesetz und auch der Krieg in der Ukraine stellen auch uns vor immer größere und teil­weise neue Her­aus­for­de­rungen. Wir wollen Barn­house durch einen ganz­heitlich nach­hal­tigen Ansatz fit machen für diese Anfor­de­rungen.

Deshalb die Ent­scheidung für We Care?

Martin Eras: Von We Care haben wir erstmals auf der BioFach 2020 gehört. Zu diesem Zeit­punkt wurde schon viel über das Lie­fer­ket­ten­gesetz dis­ku­tiert. Bei Barn­house waren wir uns sei­nerzeit einig, dass wir einen Manage­ment­standard ein­führen wollten. Welcher, war aber noch nicht ent­schieden. Die Ent­wicklung und Aus­prägung von We Care haben wir deshalb sehr genau beob­achtet. Als der Standard schließlich in seiner jet­zigen Form vorlag, war der Fokus auf das Hand­lungsfeld Lie­fer­kette unver­kennbar und damit top aktuell. Deutlich wurde aber auch der ganz­heit­liche Ansatz über drei weitere große Hand­lungs­felder. Diese Kon­stel­lation hat uns über­zeugt. Gleich nach der Anmeldung haben wir ein Zer­ti­fi­zie­rungsteam ins Leben gerufen und innerhalb von sechs Monaten die Zer­ti­fi­zierung möglich gemacht.

Für Barn­house ein Spa­ziergang also?

Martin Eras: Mit­nichten, wir haben unter Hoch­druck gear­beitet! Anfangs meinten wir noch, alle Ecken und offenen Bereiche des Unter­nehmens zu kennen. Der Fra­gen­ka­talog hat uns dann eines Bes­seren belehrt, doch dieser Per­spek­tiv­wechsel war für uns sehr hilf­reich. Wir mussten uns mit scheinbar geklärten Themen aus­ein­an­der­setzen, es gab auch manche unbe­queme Frage, auf die wir mit den bestehenden Struk­turen zunächst keine Ant­worten hatten. Mein Auf­ga­benbuch als Geschäfts­führer hat in dieser Zeit an Umfang eher zu- als abge­nommen.

Haben Sie ein Bei­spiel?

Martin Eras: Im Hand­lungsfeld Lie­fer­kette ist die Sozi­al­zer­ti­fi­zierung von Roh­stoffen zentral. Dies bewirkt zum einen Her­aus­for­de­rungen beim Roh­stoff­bezug. Zum anderen hat es starken Ein­fluss auf den Prozess der Pro­dukt­ent­wicklung, weil wir bei neuen Roh­stoffen bereits in einem sehr frühen Stadium prüfen müssen, ob sie sozi­al­zer­ti­fi­ziert bezogen werden können. Zu Aspekten wie Qua­lität und Ver­füg­barkeit kommt damit ein neues und wich­tiges Kri­terium hinzu. Das Gute ist: Bei noch nicht sozi­al­zer­ti­fi­zierten Roh­stoffen setzen wir unter Umständen einen Prozess in Gang, bei dem wir den Erzeuger oder Vor­lie­fe­ranten für unsere Stan­dards gewinnen und zur Zer­ti­fi­zierung moti­vieren können. Somit hat We Care eine ent­schei­dende Wirkung. Ein anderer Punkt: Wir werden auch neue, spe­ziell aus­ge­richtete Arbeits­plätze für Men­schen mit Behin­de­rungen ein­richten. Oder die Defi­nition einer Com­pliance-Richt­linie, die wir bislang nicht for­mu­liert hatten. We Care bedeutet für uns so etwas wie eine für das gesamte Unter­nehmen den­kende Instanz. Her­aus­for­dernde, eher schwierige Themen werden adres­siert, struk­tu­riert und auf eine sach­liche Ebene gebracht. Bislang musste fast immer ich als Geschäfts­führer manches sen­sible oder einfach not­wendige Thema ansprechen, dieser Anstoß erfolgt jetzt in vielen Fällen über den Fra­gen­ka­talog oder das Audit.

Wo kommt aus Ihrer Sicht We Care an seine Grenzen?

Martin Eras: Für manche Unter­nehmen kann der Ein­stieg eine Her­aus­for­derung sein, da dem Thema Bio eine zen­trale Bedeutung zukommt. Für das höhere Level ist ein Bio-Anteil bei den zer­ti­fi­zier­baren Roh­waren von min­destens 80 Prozent nötig. Von Vorteil ist es, wenn im Unter­nehmen ent­spre­chende zeit­liche und per­so­nelle Res­sourcen zur Ver­fügung stehen. Dies kann gerade für kleinere Unter­nehmen, die hierfür keine Struk­turen haben, eine Her­aus­for­derung dar­stellen. Even­tuell wäre hier ein modu­larer Ansatz, also die Audi­tierung von Teil­be­reichen, sinnvoll.

Viele Unter­nehmen berichten von einem Kul­tur­wandel durch die Zer­ti­fi­zierung. Können Sie das für Barn­house bestä­tigen?

Martin Eras: Ja, wir ver­ändern uns durch We Care. In unseren Pro­zessen berück­sich­tigen wir jetzt zusätz­liche nach­hal­tig­keits­re­le­vante Aspekte, das betrifft ins­be­sondere die Ver­waltung. Und auf der Maß­nah­me­n­ebene setzen wir Pro­jekte um, die das gesamte Unter­nehmen berühren, zum Bei­spiel die Erstellung einer Kli­ma­bilanz als wich­tigen Schritt auf unserem Weg zur Kli­ma­neu­tra­lität. Der bereits wun­derbar funk­tio­nie­renden Part­ner­schaft mit unseren Bäue­rinnen und Bauern aus der Region kommt eine neue Bedeutung zu, da wir hier über Maß­nahmen nach­denken, diese noch nutz­brin­gender in den Nach­hal­tig­keits­kanon ein­zu­bringen. Dieser positive Hand­lungs­druck führt dazu, dass sich alle Mit­ar­bei­tenden viel mehr als früher mit dem Thema Nach­hal­tigkeit aus­ein­an­der­setzen.

Welche Emp­fehlung geben Sie einem Unter­nehmen, das sich mit dem Zer­ti­fi­zie­rungs­ge­danken trägt?

Martin Eras: Vor allem sollte es sich fragen, welche Erwartung es an einen Manage­ment­standard hat. Wenn die Antwort lautet „Wir wollen ganz­heitlich nach­hal­tiger werden“, dann ist We Care eine sehr gute Mög­lichkeit. Denn dieser Standard greift das Thema Nach­hal­tigkeit so umfassend auf, wie kein anderer mir bekannte Ansatz. We Care hat eine phan­tas­tische Struktur mit sehr guten Hand­lungs­an­wei­sungen. Die erfor­der­liche Doku­men­tation gibt auch Ori­en­tierung, in welchen Bereichen das Unter­nehmen sich wei­ter­ent­wi­ckeln kann. Und We Care unter­stützt die Unter­neh­mens­re­pu­tation, sei es gegenüber den Lie­fe­ranten oder gegenüber den Kunden.

Das Gespräch führte Volker Laen­gen­felder.

Martin Eras (53) ist seit 2019 Geschäfts­führer von Barn­house. Das von Sina Nagl und Neil Reen gegründete Bio-Tra­di­ti­ons­un­ter­nehmen wurde 2019 von Sebastian und Stefan Hipp über­nommen. Die rund 90 Mit­ar­bei­tenden stellen vor allem Knus­per­müsli („Krunchy“) und andere Früh­stücks­ce­realien her.