Mit Handschlag und Struktur

Interview Thomas Busjan, Niehoffs Kaffeerösterei – 13. März 2023

Lieferkettengesetz, Erwartungen des Handels, Rufe nach existenzsichernden Löhnen – die Umsetzung aktueller aller Anforderungen nach mehr Nachhaltigkeit in der Lieferkette gleicht bisweilen der Quadratur eines Kreises. Wie dies dennoch gelingen kann, und welche Rolle dabei der Managementstandard We Care spielt, erläutert Thomas Busjan, Geschäftsführer von Niehoffs Kaffeerösterei im Gespräch.

Herr Busjan, als Unternehmen mit rund 40 Mitarbeitenden sind Sie nicht direkt vom Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz betroffen. Dennoch geht das Thema nicht an Ihnen vorbei. Weshalb?

Thomas Busjan: Wenn es um nachhaltige Lieferantenbeziehungen geht, schauen wir seit jeher genau hin. Wir sind eine der ältesten Bio-Kaffeeröstereien Deutschlands. Zu unseren Grundsätzen gehört, dass wir uns mit unseren Lieferanten in den Ursprungsländern partnerschaftlich weiterentwickeln und eben nicht einfach von oben Vorgaben machen. Diese konsequente Lieferantenpolitik pflegen wir bereits seit vier Jahrzehnten. Dadurch haben wir inzwischen eine sehr gute Basis und müssen in der Regel nur noch Details nachschärfen. Von daher blicken wir gelassen auf die neue Gesetzgebung. Dennoch müssen wir uns mit den Erwartungen des Handels auseinandersetzen, denn dieser selbst ist ja nach dem neuen Gesetz rechenschaftspflichtig und verlangt wiederum auch von uns als ihrem Hersteller und Lieferant Nachweise für gesetzeskonforme Lieferketten.

Und da hilft Ihnen We Care?

Thomas Busjan: Der Handel interpretiert die Vorgaben unterschiedlich, das macht die Situation für uns komplexer. Und ja, in Beantwortung dieser Anforderungen und auch darüber hinaus hilft uns die ganzheitliche Betrachtung von We Care. Wir sind durch diesen Standard noch strukturierter und transparenter als vorher. Überraschend positiv war für mich die Erfahrung, dass auch die Zusammenarbeit mit unseren Partnern aus den unterschiedlichsten Ländern und Kulturen davon profitiert. Denn die umfängliche Betrachtung und gleichzeitige Struktur von We Care gleicht einem Filter. Das heißt, bevor wir eine neue Partnerschaft besiegeln, prüfen wir ökologische und soziale Kernaspekte, wie sie auch im Standard benannt sind. Sollten sie in entscheidenden Punkten unvollständig sein, vereinbaren wir mit den Lieferanten einen Zeitraum, bis wann diese Aspekte erfüllt sein müssen. Doch bei allen Vorgaben und Strukturen dürfen wir nicht vergessen: Kaffee ist nach wie vor ein Handschlaggeschäft.

Damit meinen Sie was genau?

Thomas Busjan: Dass wir aus den gerade genannten Gründen zwar schriftliche Vorgaben machen und Prozesse dokumentieren, dass aber auch der Handschlag zwischen Kaufleuten eine über Jahrhunderte weltweit eingespielte Tradition ist, die auch wir respektieren und pflegen. Wir setzen deshalb neben den Regeln eines Standards zusätzlich auf Tugenden wie Vertrauen und Verlässlichkeit und fahren damit sehr gut.

Reicht Ihnen das mündliche Versprechen auch beim Thema existenzsichernde Löhne?

Thomas Busjan: Für uns ist soziale Sicherheit, und dazu gehört auch ein angemessener, auskömmlicher Lohn für die Kleinbäuer:innen der uns beliefernden Kooperativen, grundlegend. Deshalb fixieren wir dieses Thema in unseren schriftlichen Vereinbarungen schon seit vielen Jahren. Und trotzdem ist es ein Teil der Realität in praktisch allen Lieferketten der Weltwirtschaft, dass man sich ab einem gewissen Punkt auf die Aussagen seines Vorlieferanten verlassen muss. Das erkennt auch We Care an, und setzt deshalb auf eine Plausibilitäts- und Konsistenzprüfung der Dokumente. Für uns sind deshalb auch regelmäßige Vor-Ort-Besuche in den Ursprungsländern wie Mexiko, Indien oder Äthiopien unerlässlich. Dort sprechen wir mit unseren Partnern und verschaffen uns über die Dokumentenprüfung hinaus einen eigenen Eindruck. Mittlerweile verfügen wir über einen sehr klaren Blick, wo die Dinge für die Menschen im gewünschten Sinne laufen und wo nicht.

Wie kann man sich das konkret vorstellen?

Thomas Busjan: Äthiopien beispielsweise ist ein Land reich an wunderschöner Natur, gleichzeitig sind viele Menschen dort unsagbar arm. In der Region Kafa hat der NABU das Coffee-novation Projekt ins Leben gerufen. Wir sind bereits seit 2019 Partner dieses Projektes. Das Ziel ist, den noch verbliebenen Wald zu erhalten, indem die lokalen Kleinbäuerinnen und -bauern nicht wie bisher Kaffee wild pflücken und dafür auch Wald roden, sondern eigene kleine, produktive Flächen mit sogenanntem Gartenkaffee kultivieren. Mithilfe einer eigens gegründeten Kooperative vermarkten sie den inzwischen biozertifizierten Kaffee. Wir haben die Kleinbäuerinnen- und bauern auf dem Weg zur Bio-Zertifizierung unterstützt, sie motiviert, sich in Kooperativen zu organisieren und beraten sie weiterhin kontinuierlich zu nachhaltigen Anbaumethoden. Ein weiterer Beitrag als einer der Abnehmer des Kaffees ist, bei den Kontraktverhandlungen auch auf faire Preise zu achten, damit diese an die Bäuerinnen und Bauern weitergegeben werden. Unser Ziel ist, mehr Wertschöpfung bei den Menschen vor Ort zu lassen und die zentralen We-Care-Kriterien umzusetzen, wie zum Beispiel das Verbot von Kinderarbeit. Doch bei allem was wir tun: Wir brauchen bei solchen Projekten einen langen Atem über mehrere Jahre, weil sich unser westliches Verständnis nicht einfach auf eine Kultur vor Ort aufstülpen lässt.

Sind dann existenzsichernde Löhne ein Zufallsergebnis?

Thomas Busjan: Im Gegenteil, sie sind das Ergebnis einer guten Zusammenarbeit. Unsere Erfahrung zeigt, dass wir existenzsichernde Einkommen bei den Menschen ermöglichen können. Dann nämlich, wenn wir auf die Menschen zugehen, ihnen zuhören, wir gegenseitig Vertrauen aufbauen und dann auch ein Verständnis für unsere Anforderungen entsteht. Nur so können sich Dinge zum Positiven verändern.

Das Gespräch führte Volker Laengenfelder
laengenfelder.de

Der Diplom-Kaufmann Thomas Busjan ist Geschäftsführer von Niehoffs Kaffeerösterei, einer der ältesten Bio-Kaffeeröstereien Deutschlands. Das Unternehmen mit Sitz in Gronau im westlichen Münsterland hat rund 40 Mitarbeitende.