In den Spiegel schauen
Interview Bernhard Huber – 30. Juli 2021

Pri­maVera Naturkorn hat sich bereits 2020 für die We-Care-Zer­ti­fi­zierung ange­meldet, im Mai 2021 erhielt das Unter­nehmen als erster getrei­de­ver­ar­bei­tender Betrieb das Zer­ti­fikat. Wir sprachen mit Bernhard Huber, dem Geschäfts­führer Verkauf und Qua­lität, über Nutzen, Her­aus­for­de­rungen und Ver­än­de­rungen durch We Care.

Herr Huber, die We-Care-Zer­ti­fi­zierung von Pri­maVera im Frühjahr fiel mitten in die erhitzte Dis­kussion um das Lie­fer­ket­ten­gesetz. War das Zufall?

Bernard Huber: Wir hatten natürlich keinen Ein­fluss, wann We Care auf den Markt kommen und eine Zer­ti­fi­zierung möglich sein würde. Und dennoch passte diese Dis­kussion um Ver­ant­wortung zu unseren eigenen Ambi­tionen. Als wir von We Care erfuhren, ins­be­sondere über dessen Schwer­punkt Lie­fer­kette, haben wir uns sofort zur Zer­ti­fi­zierung ange­meldet. Dass wir hier­durch sozu­sagen nebenbei für das Lie­fer­ket­ten­gesetz gewappnet sein würden, auch wenn wir als kleines Unter­nehmen noch nicht davon betroffen sind, war nicht die primäre Absicht.

Sondern?

Bernard Huber: Wir legen großen Wert auf eine offene und ehr­liche Part­ner­schaft zu unseren Land­wirten. Gemeinsam betrachten wir die Situation auf dem Feld und im Markt, unser Fach­einkauf berät die Land­wirte über das ganze Jahr, wir kaufen direkt bei ihnen ein und wir gestalten diese Zusam­men­arbeit lang­fristig. Dadurch bedienen wir letztlich auch unser Qua­li­täts­ver­ständnis, denn für uns beginnt Qua­li­täts­si­cherung bereits auf dem Feld. Wenn wir uns also in der Lie­fer­kette, diesem für uns so ele­men­taren Aspekt, unter sozialen und öko­lo­gi­schen Aspekten audi­tieren lassen können, dann nutzen wir selbst­ver­ständlich diese Mög­lichkeit.

Was haben Sie sich konkret von der Zer­ti­fi­zierung erwartet?

Bernard Huber: Wir wollten mög­liche Lücken in unseren eigenen Sys­temen iden­ti­fi­zieren, wir wollten wissen, wo wir uns ver­bessern können. Dazu haben wir durch We Care einen Spiegel in Anspruch genommen, der uns ganz­heitlich abbildet. Wir sind ja seit Jahren im Umwelt­ma­nagement und auch im Ener­gie­ma­nagement zer­ti­fi­ziert, dazu kommen weitere Zer­ti­fikate wie zum Bei­spiel IFS. Durch We Care konnten wir uns aus einem anderen, ergän­zenden Blick­winkel betrachten.

Mit welcher Erkenntnis?

Bernard Huber: Der Auditor hat sich nur die Bereiche ange­schaut, in denen wir noch keine umfas­sende Zer­ti­fi­zierung hatten, also vor allem Unter­neh­mens­führung und Lie­fer­ket­ten­ma­nagement. Ich kann offen sagen, dass dadurch die resul­tie­rende Gesamt­be­trachtung und Beur­teilung für uns nicht immer so war, wie wir sie uns erwartet haben. Aber wie kann sich ein Unter­nehmen wei­ter­ent­wi­ckeln, wenn der Großteil der betriebs­in­ternen Themen bereits optimal oder scheinbar optimal ist? Genau hier liegt das Potenzial von We Care: mit dem 360° Blick von außen auf die Ver­bes­se­rungs­mög­lich­keiten. Die Zer­ti­fi­zierung haben wir natürlich erfolg­reich durch­ge­führt. Dennoch haben wir jetzt Haus­auf­gaben zu leisten, zum Bei­spiel bei einigen Aspekten im Hand­lungsfeld Mit­ar­bei­ter­ver­ant­wortung sowie Lie­fer­ket­ten­ma­nagement. Dahinter steht letztlich der Ansatz, dass wir uns als Unter­nehmen nicht auf den eta­blierten Struk­turen aus­ruhen. Vielmehr wollen wir etliche gegebene Impulse umsetzen. Dazu zählen auch Themen wie Doku­men­tation und Ver­schrift­li­chung.

Also schrift­liche Regu­larien mit Land­wirten statt Hand­schlag?

Bernard Huber: Ja und nein. Die Part­ner­schaft bzw. die Struk­turen der Bezie­hungen zu unseren Land­wirten ist ja nicht deshalb gut, weil wir das schon immer so gemacht haben. Manchmal waren wir in der Ver­gan­genheit viel­leicht zu hemds­är­melig unterwegs, da macht es Sinn, bestimmte Pro­zesse zu regeln und zu doku­men­tieren. Neu ist zum Bei­spiel, dass wir defi­nierte Kri­terien zur Lie­fe­ran­ten­be­wertung erar­beitet haben. Das schließt jedoch nicht aus, dass wir wei­terhin die Kultur des ver­trau­ens­ba­sierten Hand­schlags pflegen. So besiegeln wir Geschäfte auf Augenhöhe. Das gehört einfach zu unserer Fir­men­tra­dition.

Sie beziehen die Roh­stoffe über­wiegend aus der EU und prak­tisch gar nicht aus Risi­ko­ländern. Warum dann trotzdem We Care?

Bernard Huber: Zu annä­hernd 100 Prozent kommen unsere Getreide aus der EU, nur in abso­luten Aus­nahmen beziehen wir zum Bei­spiel Reis von außerhalb Europas. Lie­fer­ketten haben wir trotzdem und eine Ver­ant­wortung erst recht. Ich sehe den Nutzen von We Care darin, dass die Lie­fer­ket­ten­be­trachtung zwar der Schwer­punkt ist, darüber hinaus aber auch die gesamte Unter­neh­mens­aus­richtung zum Thema Nach­hal­tigkeit, Bio, Umwelt und Mit­ar­bei­ter­ver­ant­wortung am Standort, also im Unter­nehmen selbst prüft. Für diese Themen außerhalb der Lie­fer­kette inter­es­siert sich das Lie­fer­ket­ten­gesetz nicht. 

Aus Ihrer Sicht: Für wen eignet sich We Care?

Bernard Huber: Für Unter­nehmen, die umfassend und auch schnell ein Spie­gelbild ihrer eigenen Struk­turen anfer­tigen möchten, und die bereit sind, die erkannten Ver­bes­se­rungs­punkte anzu­gehen. Aus der jetzt gemachten Erfahrung, würde es für uns als kleines Unter­nehmen darüber hinaus Sinn machen, die ver­schie­densten Audits von gleichen Zer­ti­fi­zie­rungs­or­ga­ni­sa­tionen durch­führen zu lassen. Das war bei uns bisher nicht der Fall, doch würde ich es aus Gründen der ent­ste­henden Syn­ergie begrüßen.

Das Gespräch führte Volker Laen­gen­felder.

Bernhard Huber (50), Geschäfts­führer der Pri­maVera Naturkorn GmbH, ver­ant­wortet haupt­sächlich die Bereiche Verkauf und Qua­lität. Das Bio-Unter­nehmen aus Mühldorf am Inn stellt mit seinen rund 70 Mit­ar­bei­tenden Getrei­de­pro­dukte mit qua­li­tativ besonders hohen Anfor­de­rungen her.

Bernhard Huber, Geschäfts­führer Verkauf und Qua­lität, Pri­maVera Naturkorn GmbH