EU-Nachhaltigkeitsberichterstattung

23. Oktober 2023

Auf die Wesentlichkeit kommt es an

Die neue EU-Richtlinie zur Berichterstattung von Nachhaltigkeit bringt aktuell viel Bewegung in die europäische Unternehmenslandschaft. Die Absicht der Vorgabe: Sie möchte in der gesamten EU für große und börsennotierte Unternehmen vergleichbare und zuverlässige Nachhaltigkeitsinformationen erreichen. Dadurch sollen Anleger und andere Stakeholder auf die ökologischen und sozialen Auswirkungen von Unternehmen sensibilisiert werden. Gleichzeitig sollen die Unternehmen berichten, wie sie künftig diese Auswirkungen verringern möchten. In letzter Konsequenz sollen Unternehmen hierdurch ihren messbaren Beitrag zum Green Deal der EU leisten. Damit Vergleichbarkeit, Transparenz und Zuverlässigkeit möglich sind, hat die EU die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) entwickelt. Die ESRS definieren, über welche Umwelt-, Sozial- und Governance-(ESG-)Themen die Unternehmen berichten müssen und welche Schwerpunkte sie dabei setzen. Dieser nichtfinanzielle Bericht muss künftig zusammen mit dem Lagebericht des Unternehmens veröffentlicht und vorher testiert werden.

Auch Bio-Unternehmen müssen (manchmal) berichten

Auch nicht-börsennotierte EU-Unternehmen müssen einen ESRS-konformen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen. Erst am 17. Oktober hat die EU-Kommission vor dem Hintergrund der Inflation die Größenkriterien für KMUs angepasst. Da sich die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) bei der Definition des Anwenderkreises hierauf bezieht, hat die Anpassung auch Auswirkungen auf den Kreis der betroffenen Unternehmen. Wenn sie mehr als 250 Mitarbeitende beschäftigen, einen Umsatz von mehr als 50 Mio. Euro (bisher 40 Mio.) und/oder eine Bilanzsumme von mehr als 25 Mio. Euro (bisher 20 Mio.) haben. In der Bio-Branche erreichen nur wenige Unternehmen diese Größenordnungen. Dennoch können auch kleine und mittlere (Bio-)Unternehmen in die Informationspflicht kommen, und zwar dann, wenn Auftraggeber, Kunden, Banken, Investoren oder andere Stakeholder, die selbst berichten müssen, ihre Partner auffordern darzulegen, wie sie ESG-Themen angehen. Für diese nicht börsennotierten Unternehmen hat die EFRAG (European Financial Reporting Advisory Group) einen vereinfachten freiwilligen Standard entwickelt, damit Anfragen zu Nachhaltigkeitsinformationen mit einem verhältnismäßigen Aufwand beantworten können.

Doppelte Wesentlichkeit

Wie ermitteln Unternehmen nun, welche der unterschiedlichsten Nachhaltigkeitsthemen für sie relevant und damit berichtspflichtig sind? ESRS gibt einen Themenrahmen vor, dieser benennt in vier Blöcken verschiedene Standards entlang der ESG-Themen. Dabei ist die Querschnittnorm ESRS 2 mit ihren Allgemeinen Angaben für alle verpflichtend. Alle anderen ESRS entlang der Umwelt, Sozial- und Unternehmensführungsthemen müssen einer Wesentlichkeitsanalyse unterzogen werden, und zwar nach dem Grundsatz der sogenannten doppelten Wesentlichkeit. Nach diesem Prinzip können Unternehmen beurteilen, ob sie über ein bestimmtes Nachhaltigkeitskriterium berichten müssen. Dabei betrachten Unternehmen die Themen der Nachhaltigkeit aus zwei Perspektiven. Zum einen müssen sie darlegen, welche Auswirkungen („impact“) ihr Handeln auf Mensch und Umwelt hat. Bei dieser als Inside-Out bezeichneten Perspektive beschreiben Unternehmen zum Beispiel die Menge ihrer Treibhausgase, die zu den globalen Klimarisiken beitragen oder ihren Anteil zur Luft- und Wasserverschmutzung. Zum anderen müssen sie aus einer Outside-In-Perspektive aufzeigen, welche finanziellen Risiken und Chancen diese Themen für das Unternehmen bergen. So beschreiben sie, wie sich externe Nachhaltigkeitsaspekte auf die Rentabilität des Unternehmens auswirken. In der Bio-Branche können solche externen Faktoren mit finanziellen Risiken zum Beispiel anhaltende Dürre oder vermehrte Starkregenereignisse sein. Aus der Inside-Out-Perspektive könnten dies zum Beispiel THG-Emissionen aus der Herstellung und Transport von Lebensmitteln sein, die den Klimawandel begünstigen. Anders als bei bisherigen Reporting Standards ist ein Nachhaltigkeitsthema künftig bereits dann berichtspflichtig, wenn es nach einer der beiden Perspektiven als wesentlich anzusehen ist. Damit steigt zwangsläufig die Zahl der berichtspflichtigen Inhalte.

Fazit: Auch kleine und mittlere Bio-Unternehmen sollten sich mit den ESRS beschäftigen, da sie zum einen damit rechnen müssen hierzu von ihren eigenen Auftraggebern, Partnern oder Banken angesprochen zu werden. Zum anderen weitet die EU mit der neuen Richtlinie den Kreis der berichtspflichtigen Unternehmen stufenweise aus. Zwar sind KMU gegenwärtig nicht in der Pflicht, doch die aktuelle Dynamik am Markt könnte das Prinzip von ESRS und Wesentlichkeit zur allgemeinverbindlichen Praxis werden lassen.

​Quelle: DNK